Front gegen Neonazi-Aufmarsch in Landsberg.

Partnerschaft mit "Bürgerbündnis gegen Rechtsextremismus".

Durch die Straßen der Lechauen und der Altstadt zogen nach Zählungen der Polizei 2000 Bürgerinnen und Bürger zum Hauptplatz von Landsberg: Alt und Jung, aller Konfessionen, fast aller demokratischen Parteien, diszipliniert, friedlich, gewaltlos, aber lautstark. "Landsberg wehrt sich" lautete ihr Motto. Gegen radikale Feinde der Demokratie geht das nicht still und leise, wie der Oberbürgermeister es wünschte.

NPD-Projekt in Landsberg: Renazifierung der Geschichte - Totenkult für SS-Henker und HJ-Idol

In den letzten Tagen und Nächten vor dem 29. November glühten die Kommunikationsstränge des blitzschnell gegründeten Landsberger "Bürgerbündnisses gegen Rechtsradikalismus". Zwischen der Kommunikations-zentrale Landsberg und den Kontaktpunkten Augsburg, Dachau, Gauting, Gräfelfing, Kaufering, München und Tel Aviv läuteten die Telefone, auf PCs und Fax-Maschinen landeten Infos - Hauptthema: Bleibt es bei dem Verbot "Nazis raus aus Landsberg" oder kippt die Bayerische Verwaltungsjustiz das Demonstrationsverbot des Landsberger Landrats. Das Verwaltungsgericht Oberbayern kippte das Nazi-Verbot und auch die höchste Instanz, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, gab den neonazistischen Rechtsradikalen Grünes Licht für ihren Durchmarsch durch Landsberg und zwar erst am Tag vor dem ominösen 29. November. Die NPD durfte mit ihrer gewaltbereiten Fronttruppe "Autonome Nationalisten" demonstrieren - in der ehemaligen "Hitler-Stadt" und "Stadt der Hitlerjugend", dem ehemaligen KZ-Zentrum Kaufering-Landsberg mit 11 Lagern und 30.000 jüdischen Häftlingen. Die Epigonen Hitlers und Himmlers durften auf dem Boden marschieren, der mit dem Blut von Tausenden unschuldiger jüdischer Menschen getränkt ist. Nur der Standort Schlageter-Denkmal und die Verherrlichung des Idols der Hitlerjugend blieben ihr versagtund auch der Besuch des Gefängnisfriedhofes, auf dem Kriegsverbrecher begraben sind, die in den Dachauer SS-Prozessen zum Tode verurteilt wurden.

Ihre Heldenverehrung für diese SS-Henker hatten die "Autonomen Nationalisten Augsburg" vorsorglich schon am 16. November, am Abend des Volkstrauertages, auf dem Friedhof der JVA Landsberg inszeniert und auch fotografiert - nachzulesen und anzuschauen auf ihrer Internetseite http://logr.org/nationalesaugsburg/ vom 18.11.2008, zehn Tage vor der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes. Ihre Verherr-lichung der SS-Schergen von Dachau, Kaufering und Landsberg beschreiben die Augsburger Neonazis unter der geradezu höhnischen Schlagzeile "Störungsfreie Gedenkstunde auf dem Spöttinger Friedhof in Landsberg", darunter drei Fotos ihrer Nacht-und-Nebel-Aktion. Der Bayerische Verfassungsschutz kennt diese Aktion und diese Bilder, die Bayerische Verwaltungsjustiz offensichtlich nicht. Sonst hätte sie gewusst und bei Ihrem Landsberg-Urteil berücksichtigt, was die neonazistischen "Autonomen" und ihr Mentor und Sponsor, die NPD, unter dem Demo-Motto "Landsberg steht zu seiner Geschichte" in Wahrheit verstehen und beabsichtigen.

Der "Hauptplatz" von Landsberg. Für Hitler und seine Hitlerjugend die wichtigste Kultstätte der nationalsozialistischen Bewegung nach der Feldherrnhalle in München und dem Reichsparteitagsgelände von Nürnberg. Am Morgen des 29.11.2008: Der symbolträchtige Ort leer und leise. Ruhe vor dem Sturm? An den Fassaden die Banner des "Bürgerbündnis gegen Rechtsradikalismus".

Die NPD und ihre schlagkräftige Vorhut durften also kommen, aber wir kamen auch. Im letzten Info des "Bürgerbündnisses" hieß es: "Samstag, 29.11.08, 11.30 Uhr, Treffpunkt Parkplatz am Mutterturm. Von dort ziehen wir über Von-Kühlmann-Straße und Sandauer Brücke zum Hauptplatz, wo um 12.30 Uhr eine Kundgebung stattfindet. Redner werden unter anderem Herr Löwenberg, Mitbegründer der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes", und Dr. Friedrich Schreiber, ehemaliger Nahost-Korrespondent der ARD, sein.

Andrang am Mutterturm - Abmarsch in Ruhe und Ordnung

Treffpunkt Mutterturm, direkt am Lech, gegenüber der Altstadt mit unserem Ziel "Hauptmarkt". Nicht weit von uns der Bahnhof, wo sich zwei Stunden später die Neonazis treffen wollen, und der Gefängnisfriedhof mit den Gräbern hingerichteter SS-Kriegsverbrecher. Dort hatten laut www.nationalesaugsburg.de am Abend des 16. November - wie schon erwähnt - "ein Dutzend nationalgesinnter Kameraden", "zu Ehren der dort beerdigten Opfer der US-Siegerjustiz", "mit über 100 Kerzen", "umrahmt von Fackeln und schwarzen Fahnen" ihr braunes Bild von der Geschichte Landsbergs präsentiert. Als die "nationalgesinnten Kameraden" dann um 13.00 Uhr - eineinhalb Stunden nach dem Start unserer Protestdemonstration - auf dem Bahnhof Landsberg ankamen, waren die meisten in der Kultfarbe der neonazistischen "Autonomen Nationalisten" gekleidet: in Schwarz.

Am Mutterturm hatten sich kurz nach 11.00 Uhr schon Dutzende, bald Hunderte von Menschen versammelt. Vor dem Abmarsch waren es dann laut Polizei 2000, darunter eine Delegation aus dem Würmtal: der ehemalige Gautinger Bürgermeister Dr. Ekkehard Knobloch, vom Verein "Gedenken im Würmtal" der Vorsitzende aus Gräfelfing, Dr. Friedrich Schreiber, der Stellvertrende Vorsitzende und Conrektor des Gautinger Otto-von-Taube-Gymnasiums, Hans Joachim Stumpf, mit mehreren Schülern und die Vorsitzende des Evangelischen Kirchenvorstands der Planegger Waldkirche.

2000 friedliche Demonstranten - 900 kooperative Polizisten

Pünktlich um 11.30 Uhr wollten wir abmarschieren. Doch die Polizei forderte. "Erst die Holzlatten von den Transparenten entfernen." Wir hätten sie doch zu Schlagwerkzeugen umfunktionieren können. 10 Minuten später sagt sie: "Nochmals 10 Minuten warten. Es kommen noch Hunderte". Endlich Abmarsch, ruhig und abgesichts der Herausforderung fast gelassen. An der Spitze unseres Demonstrationszuges gegen den Besuch der braunen Brut in Landsberg marschieren die Organisatoren des "Bürgerbündnisses gegen Rechtsradikalismus", verbunden durch das breite Banner, das sie einträchtig mit ihren Händen halten. Darauf steht der Hauptslogan geschrieben: "Landsberg wehrt sich". Weiter hinten die Banner mit den Slogans "Diese Stadt hat Nazis satt" und ganz lapidar "NEIN".

Bereitschaftspolizei und Sondereinsatzkommandos eskortieren den Protestzug wehrhafter Demokraten. Nach der Zulassung des Neonazi-Marsches durch die Verwaltungsjustiz schickte der Innenminister 900 Polizeibeamte nach Landsberg. Der friedlichen Bürgerdemonstration galt nicht dieses Polizeiaufgebot. Der Freistaat musste die "Schwarzen Blocks" gewaltbereiter Neonazis und Linksradikaler disziplinieren.

Vor uns der örtliche Polizeichef und der Kommandant der Bereitschaftspolizisten aus München. An Schultern und Schienbeinen sind sie für Nahkämpfe gut gepanzert. Am Straßenrand auch schwarzuniformierte SEK-Kommandos ("Schnelle Einsatzkommandos"). Sie brauchen keine Panzerung. Denn sie können schneller zuschlagen, als gewaltbereite Störer vom "Schwarzen Block" rechtsradikaler oder linksradikaler Couleur mental schalten können. Der Kommandant der Bereitschaftspolizei warnt uns: "Wenn Linksradikale sich in Euren Reihen vermummen, müssen wir Euren Demonstrationszug stoppen." Wir antworten ihm: "Halten Sie uns die militanten Linksradikalen vom Leib. Wir wollen friedlich und gewaltfrei gegen die Neonazis demonstrieren." Der offene Kontakt mit den Sicherheitskräften des demokratischen Rechtsstaates bewährt sich für uns.

Unsere Slogans: "Landsberg wehrt sich" - "Diese Stadt hat Nazis satt" - "Nazis raus" - "NEIN"

Entlang der Von-Kühlmann-Straße ziehen wir am Gefängnisfriedhof vorbei, überqueren die Lechbrücke. Beim Durchqueren der Altstadt, durch die Sandauer Straße und den "Hinteren Anger", ist Schluss mit ruhiger und stiller Zurückhaltung. Wir skandieren lautstark unsere Slogans - immer wieder "Diese Stadt - hat Nazis satt" und als Breaks und in kurzem Stakkato "Nazis raus, Nazis raus". An den Fenstern wenige Leute. Wenn wir winken, winken einige zurück, nicht alle. Als sich dann aber der Hintere Anger zum Haupmarkt öffnet, sehen wir ein Heer von Menschen, die uns solidarisch erwarten und wie ein Kanon in unsere Slogans einstimmen.

Die Polizei hat rings um den Marienbrunnen im Zentrum des Hauptmarktes weiträumig einen Ring aus Stahlständern aufgestellt, um uns Landsberger Demonstranten und die später eintreffenden, zugereisten Neonazis voneinander zu trennen. Direkt an der Stahlbariere steht unsere Rednerbühne, davor in einem weitgespannten Halbkreis Menschen über Menschen. Die Polizei schätzt die Zahl der Teilnehmer unserer Kundgebung auf 2000.

Zum Auftakt Jung und Alt: Ludwig Hartmann (30) und Martin Löwenberg (82)

Zuerst spricht als Einheimischer und Hauptorganisator Ludwig Hartmann, mit 30 Jahren schon Landtagsabgeordneter der Grünen. Er schlägt einen maßvollen Ton an, stellt in besonnenen Worten das Bürgerbündnis vor, seine Zusammensetzung, seine Ziele. Mit dem Hauptziel, der Verhinderung des provokativen NPD-Marsches durch seine Stadt, steigert er die Phon- und Schlagzahl seiner Rede. Nach ihm ergreift mit geradezu sanfter Stimme der 82-jährige Münchner Martin Löwenberg, ehemaliger Häftling des nordbayerischen KZ Flossenbürg, Mitglied der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" und Veteran zahlreicher Gegendemonstrationen gegen rechtsradikale Aufmärsche in München. Seine Vita und seine Rede enthält genau die authentischen Argumente, die die bayerischen Verwaltungsrichter bei der Ablehnung des NPD-Verbots in Landsberg für nicht schwerwiegend genug erachteten.

Vier Männer aus drei Generationen redeten auf dem Hauptplatz: Ludwig Hartmann, 31, Landtagsabgeordneter der Grünen in Landsberg; Martin Löwenberg, 82, aus München, Überlebender des KZ Flossenbürg; Friedrich Schreiber, 76, Begründer der Würmtaler Bürgerbewegung für das Gedenken an die Nazi-Opfer; Mario Patuzzi, 40, Jugendsekretär des oberbayerischen DGB. Moderiert wurde die Kundgebung von Therese, einer 19-jährigen Schülerin.

Friedrich Schreiber kritisiert Missachtung der Würde von 30.000 jüdischen KZ-Häftlingen durch Justiz

Dann stellt die 19-jährige Moderatorin Therese, noch Schülerin im Landsberger Ignaz-Kögler-Gymnasium, Friedrich Schreiber vor, als Vorsitzenden des Vereins "Gedenken im Würmtal" und als Mitbregründer des Vereins "Gedenken in Kaufering". In seine freundlichen Gruß- und Dankesworte an die vielen Menschen dieser Kundgebung bezieht er auch die "Damen und Herren der Sciherheitskräfte" ein. Wenn's hart auf hart kommt, mü sie den friedlichen Charakter dieser Antinazi-Demonstration absichern. Dann ist rasch Schluss mit lustig. Klartext folgt zu den krassen Fakten der "nationalssozialistischen Symbolkraft" Landsbergs. Darauf gründet er seine scharfe Kritik an den Urteilen der Verwaltungsjustiz. Er nennt drei Kernpunkte:

1. Missachtung des aus mehreren Gründen symbolträchtigen Charakters von Landsberg:

  • als Ort, wo Hitler seine Hetzschrift "Mein Kampf" verfasste,
  • als Ort, der von Hitler selbst zur Kultstätte "Hitler-Stadt" erhoben wurde,
  • als "Stadt der Hitlerjugend", zu der die von Hitler verführte Jugend aus dem ganzen Reich heranpilgerte,
  • als Ort der Heldenverehrung von SS-Kriegsverbrechern durch die neonazistische Jugend, von SS-Offizieren und SS-Soldaten, die in den Dachauer SS-Prozessen zum Tode verurteilt und in Landsberg hingerichtet wurden, darunter viele SS-Schergen aus dem KZ-Komplex Landsberg/Kaufering.

"Warum reichen diese historischen Fakten denn nicht aus", fragt Schreiber, "um Landsberg als Ort anzuerkennen,´dem ein an die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft erinnernder Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukommt`, die deshalb laut Strafgesetz und laut Versammlungsrecht ein NPD-Verbot erzwingen?"

2. Missachtung des Charakters Landsbergs als SS-Zentrum des KZ-Komplexes "Kommando Kaufering"

Von Juni 1944 bis Mitte April 1945 wurden rund 30.000 jüdische KZ-Häftlinge nach Kaufering transportiert, um dort 3 gigantische bombensichere Bunker-Bauwerke zu errichten. Sie vegetierten in 11 Lagern mit miserabler Unterbringung, malochten in den "Kalten Krematorien" der Betonbunker, wobei bis zu 20.000 starben: an Auszehrung, Unterernährung, Erfrierung, Seuchen und Krankheiten oder brutaler Gewalt, Tausende von Schwerkranken, die von Landsberg zur Ermordung in die Gaskammern von Ausschwitz abtransportiert wurden, Tausende bei der sogenannten Evakuierung der noch lebenden 12.000 Häftlinge, auf Todesmärschen und in Todeszügen aslo, oder nach der Befreiung an schweren Haftkrankheiten wie Tuberkulose oder Thyphus. Sarkastisch sagt Schreiber: "Verletzt die Verherrlichung der NS-Geschichte am Ort dieser vieltausendfachen ´Vernichtung durch Arbeit`, verletzen NPD-Märsche auf der von Tausenden von Opfern getränkten Erde etwa nicht die Mendchenwürde dieser 20.000 Todesopfer?".

3. Besonders scharf kritisierte Schreiber die Missachtung von zwei einschlägigen Rechtsnormen:

  • Durch die Verschärfung des § 130 des Strafgesetzbuches ("Volksverhetzung") vom 24.3.2005 wird bestraft, "wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt."
  • Das neue Bayerische Versammlungsrecht erlaubt nicht nur Beschränkungen, sondern auch Verbote von "rechtsextremen Demonstrationen" an einem "Ort, dem ein an die nationalsozialistische Gewalt- und Willkü:rherrschaft erinnernder Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukommt" oder "wenn durch eine Versammlung die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft gebilligt, verherrlicht, gerechtfertigt oder verharmlost wird." Schreiber fragt. "Für welche bayerischen Orte - außer Dachau und Flossenbürg, München und Nürnberg - treffen diese Rechtsnormen zu, ist dieser "Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft" offensichtlich, wenn nicht in Landsberg? An welchem Ort im ehemaligen Reich gab es denn mehr Opfer durch "Vernichtung durch Arbeit" als im KZ-Komplex Landsberg/Kaufering?

Schreiber beendete seine Rede mit einem Brief von Uri Chanoch, ehemaliger Häftling des Landsberger Lagers 1, Zwangsarbeiter auf Landsberger Flur und Vorsitzender der "Vereinigung der Überlebenden der Außenlager Landsberg/Kaufering des KZ-Dachau". Uri Chanoch gelang die Flucht von der blutgetränkten Erde von Landsberg. Sein Vater erkrankte im Lager 1, wurde "selektiert" und zur Ermordung nach Auschwitz abtransportiert. "Wo", fragt Schreiber mit beschwörender Stimme, "wo, bleibt bei den Urteilen der Verwaltungsrichter die Respektierung der Menschenwürde von Uri und Feivel Chanoch? Wo bleibt in den Urteilen der Münchner Verwaltungsrichter das erste und höchste Grundrecht unseres Grundgesetzes: ´Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.`"

Die Initiatoren dieser Demonstration hatten nur drei Wochen Zeit, um das Bürgerbündnis gegen den Einmarsch der Neonazis in ihre Stadt zu organisieren und die Bevölkerung zu informieren und zu motivieren. Sie erhielten eine machtvolle Antwort von den Menschen von Landsberg. Immer wieder und immer lauter skandierten sie: "Diese Stadt hat Nazis satt".

Die Neonazis kommen - Landsberger Bürger machen ihnen die Hölle heiß

Als letzter Redner bezeugt Mario Patruzzi, Jugendsekretär des DGB, dass die wichtigen Kräfte unserer Gesellschaft, seine Gewerkschaft oder die Evangelischen und Katholischen Kirchen, den neonazistischen Rechtsradikalismus kathegorisch ablehnen. Nach dieser Rede beendet Ludwig Hartmann die Kundgebung des Landsberger Bürgerbündnisses. Aber fast alle der rund 2000 Teilnehmer bleiben, warten auf die Neonazis. Als diese - nur ein Häufchen von etwa 80 schwarzgekleideten Kerlen - sich unter Polizeischutz an den Landsberger Protestbürgern geradezu eingeschüchtert vorbeischleichen, ertönt ohrenbeteubendes Pfeifen auf dem Hauptmarkt von Landsberg. Die Gegendemonstranten haben Trillerpfeifen herausgezogen, die die Evangelische Jugend beschafft hat. Und als der Wortführer der Neonazis versucht, mit einer sogenannten Gedenkrede die Schallmauer der demokratischen Bürgerfront zu duchbrechen, ziehen diese Rote Karten heraus und halten sie trutzig den rechtsradikalen Eindringlingen ihrer Stadt entgegen. Und wieder stimmen sie die Slogans dieses Tages an: "Landsberg wehrt sich", "Diese Stadt hat Nazis satt" und "Nazis raus, Nazis raus". Von den Häuserwänden, an denen Transparente mit unseren Slogans hängen, dröhnen die Echos unserer Beschallung laut und geradezu lähmend auf die Neonazis hinab, die den Bürgern der Stadt Geschichtsbewusstsein beibringen wollten. Fast fühlte man so etwas wie Triumph in ihren Gesichtern und ihren Stimmen. Viele, die sich solch eine gelungene Demonstration und Kundgebung gar nicht vorstellen konnten, sagen mit Genugtuung: "Das war ein Erfolg für uns."

Die Protestkundgebung gegen die Präsenz von Neonazis in der ehemaligen "Hitlerstadt" und "Stadt der Hitlerjugend" ist zu Ende. Doch die wehrhaften Demokraten Landsbergs verharren auf ihrem Hauptplatz. Rings um das Sperrgebiet, das die Polizei für die Rechtsradikalen abgeriegelt hat., bilden sie einen menschlichen Wall. Als die Neonazis eintrafen, machten ihnen diese Landsberger die Hölle heiß.

Aktive Solidarität aus dem Würmtal - Analyse, Strategie und Taktik

Für uns "Würmtaler", die das Landsberger Bürgerbündnis solidarisch unterstützten, war dieser Tag auch so etwas wie ein Aha-Erlebnis. Wir waren fern von Landsberg, besaßen wenig "Fronterfahrung". Auf unserer Mitgliederversammlung vom 19. April 2008 in der Christuskirche von Gauting hatten wir ein Projekt "Kampf gegen Rechtsradikalismus" beschlossen: "Dieses Projekt resultiert aus einer Einladung, das ´Bayerische Bündnis für Toleranz, Demokratie und Schutz der Menschenwürde` medienpolitisch zu beraten." Vorsichtig fügten wir hinzu: "Angesichts von Zahl und Alter unserer Mitglieder bietet sich wohl nur eine geistige Zusammenarbeit an. Bayernweite Frontauftritte gegen Neonazis überschreiten unsere Kräfte." Es kam anders, schneller und nicht nur geistig.

Als wir am 9. November, bei einer Kauferinger Gedenkfeier zum antisemitischen Naziterror der Nacht vom 9. November 1938 vom Landsberger Landrat erfahren hatten, dass die NPD schon in drei Wochen, am 29. November 2008, in der Stadt am Lech einmarschieren wollte, verfielen wir nicht in lähmende Starre. Schon am nächsten Tag, am 10. November, gingen wir in die Startlöcher. Sofort verschafften wir uns Klarheit über Strategie und Taktik der NPD und ihrer autonomen Vorkämpfer, über die Rechtslage und über Verbündete an einer für uns fernen und fremden Front. Wir studierten vor allem die einschlägigen Passagen im neuesten Bericht des Bayerischen Verfassungsschutzes und den protzigen Klartext in den Internetseiten der rechtsradikalen Szene. Wir wurden sehr schnell fündig.

Die schwarze Vorhut der braunen NPD: "Autonome Nationalisten" aus Augsburg und München

Die selbsternannte Sturmtruppe der NPD bei ihrem Angriff auf Landsberg outet sich großkotzig mit ihrer Internetseite www.nationalesaugsburg.de. Die Minigruppe "Nationales Augsburg" wird laut Impressum offensichtlich von der größeren Gruppe "Autonome Nationalisten München" (Mike Nwaisser) ferngesteuert, die sich ihrerseits aufgrund der größeren Gewaltbereitschaft ihrer Mitglieder von der neonazistischen "Kameradschaft-Süd" abgespalten hatte. All diese Grüppchen mit "autonomen Strukturen" agieren - laut BVS - unter Führung einer "charismatischen Führerfigur" mit NPD-nahem Profil. Sie bilden den braunen Sumpf, aus dem die nicht-verbotene Neonazi-Partei NPD - mit unseren Steuergeldern - den rechtsradikalen Guerillakrieg inszeniert. So erschloss sich uns aus zwei sehr konträren Quellen sehr rasch das Profil unseres potentiellen Feindes.

Blitzschnelle Gründung des Landsberger "Bürgerbündnisses gegen Rechtsradikalismus"

Wir Würmtaler, frontfern und im antinazistischen Nahkampf unerprobt, mussten uns nach ortskundigen Kräften umsehen, die bereit und erfahrten waren für Aktionen, Demonstrationen und für Organisation. Auch das ging rasch. Blitzschnell hatte sich in Landsberg mit dem Bruderpaar Ludwig und Moritz Hartmann ein Organisationskern aus Kreisjugendring und Grünen formiert, der beim zweiten, eilig einberufenen Treffen schon auf 40 junge und ältere Bürgerinnen und Bürger angewachsen war, an dem auch wir mit Rat und Tat teilnahmen. Dem ebenso idealistisch und moralisch motivierten, wie aktionsbereiten Kreis gehörten Menschen aus vielen Bereichen unserer demokratisch-pluralistischen Gesellschaft an: gläubige Christen aus der Evangelischen Jugend und den Katholischen Georgspfadfindern, Lehrer, Theaterleute, Politprofis von den Grünen und den Sozialdemmokraten. Anhänger aus CSU und FDP outeten sich nicht, reihten sich aber offensichtlich spätestens bei unserer eindrucksvollen Demonstation in die Ränge unserer überparteilichen und überkonfessionellen Bürgerfront.

Der erweiterte Gründerkreis traf einstimmig drei wichtige Entscheidungen:

  • Wir folgen nicht dem Appell des Oberbürgermeisters, auf eine selbständige und selbstbewusste Bürgeraktion zu verzichten und uns am Rande des Chriskindlmarktes in das Stadtfest "Bund statt braun" mit Luftballons und Pop-Musikern einzuordnen.
  • Wir bilden ein "Bürgerbündnis gegen Rechtsradikalismus", um unsere Bürgeraktionen zu diskutieren, zu planen und durchzuführen. Es steht allen freiheitlich-demokratisch gesonnenen Menschen offen.

  • Unsere Demonstrationen und Kundgebungen müssen friedlich und gewaltfrei sein..
Mit einem ohrenbetäubenden Pfeifkonzert, dem Stakkato ihrer Slogans und mit der Roten Karte empfängt das Bürgerbündnis die gewalttätige Vorhut der neonazistischen NPD. Sie wollten den Landsbergern eine Geschichtslektion erteilen, mit Totenkult für Nazi-Heroen und SS-Henkern. Die knallharte Antwort der wehrhaften Demokraten Landsbergs lautet "Nazis raus aus dieser Stadt" und "NEIN", immer wieder "NEIN". Zum Schluss muss die Polizei doch noch eingreifen: Linksradikale und Rechtsradikale wollen sich prügeln.

Distanzierung von den Vermummten des linksradikalen Schwarzen Blocks

Auf unseren Rat wurde aufgrund Münchner Erfahrungen noch ein viertes, mit dem dritten verbundenes Prinzip angenommen:

  • Wir distanzieren uns bei unseren Aktionen gegen die NPD von gewaltbereiten Linksradikalen, die als sogenannte "Autonome Antifas", die von der DKP gesteuert werden, durch Vermummung, körperliche Gewalt oder "Schwarze Blöcke" gewaltträchtige Konfrontationen nicht nur mit Neonazis, sondern auch staatlichen Sicherheitskräften provozieren und damit den friedlichen Charakter unseres Bürgerbündnisses in Misskredit bringen und den Erfolg unserer Aktionen gefährden.

So hatten wir Würmtaler uns als Partner des Landsberger "Bügerbündnisses" in dessen Anti-Nazi-Front "eingelinkt". Am 29. November waren wir am Mutterturm pünktlich und solidarisch zur Stelle.