Dr. med. Erich Aschenheim
Geboren am 4. Februar 1882 in Berlin
Der Sohn von Leopold Aschenheim (von 1892 bis 1906 Direktor der Berliner Elektricitäts-Werke) und seier Ehefrau Anna, geborene Somon, studierte Medizin in München und Berlin. Erich Aschenheim heiratete 1906 die in Berlin 1881 geborene Charlotte Ehrmann, mit der er drei Töchter hatte. Nach seiner Promotion im Jahr 1907 absolvierte er die Ausbildung zum Kinderarzt am Dr. von Haunerschen Kinderspital in München, wo er bis 1909 als Assistenzarzt wirkte. Seine berufliche Kariere setzte er in Kinderkliniken in Heidelberg, Dresden und Düsseldorf fort. Am 9. Oktober 1920 heiratete er in zweiter Ehe die am 7. Mai 1899 in Düsseldorf geborene Annemarie Clara Appelius. 1921 wurde er in Remscheid als Stadtmedizinalrat für die Gesundheitsfürsorge zuständig.
Im März 1933 wurde er durch die nationalsozialistische Stadtverwaltung "bis auf weiteres beurlaubt", noch bevor durch das "Gesetz zur Widerherstellung des Berufsbeamtentums" jüdische Beamte entlassen wurden. Nachdem er am 23. Mai 1934 endgültig in Ruhestand versetzt wurde, zog er zusammen mit seiner Ehefrau und den zwei gemeinsamen Töchtern nach Krailling in die Georg-Schuster-Straße 26. In Krailling betrieb er eine Praxis als praktischer Arzt, die er aufgeben musste, da ihm als Juden am 30. September 1938 die ärztliche Approbation aberkannt wurde. Im November 1938 wurde Aschenheim in Düsseldorf in der Wohnung seines Schwiegervaters von der Gestapo verhaftet und im Polizeigefängnis inhaftiert. Auf Betreiben seines Schwiegervaters kam er noch im selben Monat frei und kehrte zurück nach Krailling. Dort stand er unter Polizeiaufsicht. Seine Bemühungen um Auswanderung scheiterten. Am 4. Mai 1941 ist er nach einem Suizid mit Zyankali in Krailling gestorben. In der Sterbefall-Anzeige ist die evangelisch-lutherische Religonszugehörigkeit vermerkt, der Zwangsvorname "Israel" markiet ihn als Juden im Sinne der "Nürnberger Rassengesetze". Seine nichtjüdische Ehefrau Annemarie schrieb laut der Gemeindechronik Planegg (Grau, Anton; Geschichte Planeggs im 19. und 20. Jahrhundert, in: Planegg, Geschichte und Geschichten, Bd. II, 2009, Gemeinde Planegg) am 1. Oktober 1956 wegen eines Rückerstattungsverfahrens an die Finanzmittelstelle München:
„Meinem Mann wurde - wie allen jüdischen Ärzten - im Oktober 38 laut Gesetz die ärztliche Approbation aberkannt. Damit war die Weiterführung der Praxis verboten.
Eine Übergabe an einen nichtjüdischen Kollegen war aber damals nicht mehr möglich. Mein Mann empfahl seinem damals schon sehr zusammengeschmolzenen Patientenkreis, sich an Dr. Wolfgang Stoeger, Planegg, heute Rudolf v. Hirschstr., zu wenden. Herr Dr. Stoeger hatte sich als einziger der Kollegen immer vorbildlich gegenüber meinem Mann verhalten, hat auch später bei einem Selbstmordversuch meines Mannes und dem drei Monate später erfolgten Selbstmord sich in einer menschlich hochstehenden Art unserer angenommen.
Dies bewog mich, nach dem Tod meines Mannes ihm den Teil der Instrumente, die er gebrauchen konnte, zu übermitteln.
Als eigentlicher Nachfolger meines Mannes - ohne Ankauf der Praxis - ist Herr Dr. Engelberg anzusehen, der sich in Krailling als Arzt niederließ und sehr bald alle Kassen bekam, da sonst in Krailling kein Arzt tätig war. Er übernahm den Großteil früherer Patienten meines Mannes. Weder zu Lebzeiten meines Mannes noch später haben wir aber eine Forderung an Herrn Dr. Engelberg auf Ablösung der Praxis gestellt. Wir hätten unter den damaligen Verhältnissen vielleicht einen Anspruch erheben können, Rechtskraft hätte er doch nicht erlangt. Außerdem hatte sich dank der üblen Hetze eines fanatisch nationalsozialistischen Kollegen in Planegg die zuerst außerordentlich gut gehende Praxis meines Mannes stark verringert, sodaß Herr Dr. Engelberg uns kaum regresspflichtig erschien. Die Bevölkerung war verängstigt durch die Machenschaften des Herrn N. N. Nach dem Zusammenbruch versuchte er dann, mein Schweigen in der Spruchkammer zu 'erkaufen', was ich aber ablehnte. Der eigentliche Schädiger der Praxis meines Mannes ist aber diesem Herrn zu verdanken.“
Erich Aschenheim: Schreiben wegen Namensänderung an die Gemeinde Krailling vom 3. Januar 1939 (Bild Gemeindearchiv Krailling)
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Quellen:
Grau, Anton; Geschichte Planeggs im 19. und 20. Jahrhundert, in: Planegg, Geschichte und Geschichten, Bd. II, 2009, Gemeinde Planegg
Gemeindearchiv Krailling
Andrea Autenrieth; Ärztinnen und Ärzte am Dr. von Haunerschen Kinderspital, die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung wurden, Dissertation, 2012